Wednesday, January 26, 2011

Unerwartet

Natürlich sind der Herr Ringel und ich nicht blauäugig in die Ferne gezogen. Wir haben hier vorher 6 Monate gelebt. Wir konnten uns in der Landessprache verständigen (wenn ich auch zugeben muss, dass mich mein Englischunterricht zwar fürs Lesen von Macbeth trainiert hat, nicht aber für das kaufen von 1 Aubergine und 3 Stangen Lauch...). Wir hatten sogar Freunde gefunden, zu denen wir zurückkommen konnten.

Mittlerweile sieht das anders aus. Natürlich kann ich heute sowohl Auberginen (eggplants) als auch Lauch (leeks) im Supermarkt kaufen. (Shakespeare hingegen habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Zählt Hamlet im Theater vor 8 Jahren?!?) Aber Freunde?!? Nun, da sieht es düster aus.

Wir haben hier nie viele, aber immer gute Freunde gehabt. Die ersten zogen nach Kalifornien. Die nächsten nach Ottawa. Die übernächsten nach Boston. Die vierten und fünften nach Deutschland. Die letzten leben jetzt wieder das halbe Jahr in Finnland. Gut, werden Sie sagen, dass ist sicher nicht schön, aber warum finden Sie denn keine neuen Freunde, Frau Ringel? Hören Sie auf zu Jammern und finden Sie ein paar Freunde.

Gern, wenn man mir denn sagt wo...

Amerikaner haben ein komisches Bild von Leuten mit meinem Beruf. Die meisten sind erstaunt, dass wir überhaupt essen und aufs Klo müssen. Als Freunde wollen sie meinesgleichen jedenfalls nicht. Nichts beendet ein Gespräch hier so schnell wie die Antwort "Pastor" auf die Frage: "Was bist Du denn?"
Deutsche sind da im Allgemeinen etwas weniger abergläubisch. Aber finden Sie die hier mal. Die Deutschen, die hier auffallen, also jene, die sich in der Deutschgruppe organisieren, das Oktoberfest zusammen feiern, den Karneval und das Spanferkelgrillen, sind nicht so mein Ding. (Wenn ich deutschtümelnde Bayern und Rheinländer will, fahre ich nach Frankfurt, München oder Palma de Mallorca!)
Anderen Pastoren geht das nicht anders. Die haben als Freunde entweder Pastoren, Kirchenmusiker, Kinder von Pastoren oder Pastorengroupies.

Ich hätte gern wieder Freunde, mit denen wir uns treffen können, klönen, Monopoly oder Siedler spielen, schwimmen gehen und all die anderen Dinge, die man halt so mit Freunden macht. Stattdessen besuchen uns nur wählerische, unfreundliche Gäste, die ich, da mittlerweile ein wenig vereinsamt, nicht mal aus meinem Haus komplementiere, wenn sie sich unmöglich benehmen.

Irgendwie war diese Entwicklung unerwartet...

2 comments:

BeatrixB said...

ich glaube, dass ist aber typisch für Amerikaner - für viele jedenfalls. Der Begriff "Freunde" ist ein anderer. Wir haben auch sehr gute Freunde, die wir seit über 20 Jahren kennen. Aber die melden sich von sich aus nie. Wir fahren hin, wenn. Sie freuen sich immer riesig uns zu sehen, aber wir fehlen ihnen nicht, wenn sie uns nicht sehen. Die sind einfach mehr intrafamilär auf sich konzentriert und so scheint es bei der Mehrheit von Amerikanern zu sein.

Wolfram said...

In Frankfurt gibts aber nur Häsische, keine Rheinländer... ;)

Das Problem mit den Freunden kennen wir hier genauso, obwohl die Landsmannschaft nicht so ein Problem ist. Aber mit wem hat man denn dauernd zu tun, wenn nicht mit den Kollegen (minimum 45 Minuten mit dem Auto entfernt) - oder Gemeindegliedern, bei denen man sich mit Freundschaften ja eigentlich ein wenig zurückhalten sollte?